Das Ziesel (Spermophilus citellus), auch Europäisches Ziesel genannt, gehört zur Familie der Hörnchen, zu der auch das heimische Eichhörnchen und das Murmeltier zählen. Es ist ein faszinierender, wärmeliebender Kleinsäuger, dessen Lebensweise perfekt an die karge Umgebung offener Grassteppen und kurzrasiger Wiesen angepasst ist. Trotz seiner geringen Größe spielt das Ziesel eine wichtige Rolle in seinem Ökosystem und hat eine wechselhafte Geschichte im Verhältnis zum Menschen hinter sich.
Erscheinungsbild und Körperbau
Das Ziesel ist ein mittelgroßes Nagetier. Es erreicht eine Körperlänge von etwa 20 Zentimetern, wobei der mittellange, dicht behaarte Schwanz nochmals rund 5 bis 7 Zentimeter hinzufügt. Je nach Jahreszeit und vor dem Winterschlaf schwankt das Gewicht des Tieres zwischen 200 und 450 Gramm, wobei Männchen tendenziell etwas größer und schwerer sind als Weibchen. Das Fell weist eine gelb-braun-graue Färbung auf, die am Rückenfell oft feine, gelblich-weiße Punkte oder eine unregelmäßige Sprenkelung zeigt. Charakteristisch für das Ziesel sind seine sehr kleinen, fast im Pelz versteckten Ohren und die dehnbaren Backentaschen, die es zum Transport von Nahrung nutzt.
Lebensraum und Lebensweise
Ziesel sind tagaktive Bodentiere, die in Kolonien leben. Ihr ursprünglicher Lebensraum sind trockene Steppen und weitläufige, kurzrasige Wiesen oder beweidete Flächen (Hutweiden), da sie auf lockere, tiefgründige Böden angewiesen sind, um ihre ausgedehnten Bau-Systeme zu graben. Sie sind wärmeliebend und meiden feuchtes Wetter; ihren Bau verlassen sie nur, wenn es warm genug ist und nicht regnet.
Der unterirdische Bau ist komplex und kann bis zu 1,5 Meter tief reichen. Er besteht aus einer gepolsterten Schlafhöhle und mehreren Fluchtgängen. Obwohl Ziesel in Kolonien leben, bewohnt jedes adulte Tier in der Regel seinen eigenen Bau, lediglich Weibchen teilen ihn mit ihren Jungen.
Ein charakteristisches Verhalten ist das sogenannte „Männchen-Machen“, bei dem sich das Tier auf seine Hinterbeine aufrichtet. Dies dient der besseren Übersicht, um Fressfeinde wie Füchse, Wiesel oder Greifvögel frühzeitig zu erkennen. Bei Gefahr stößt das Ziesel einen lauten, typischen Pfifflaut aus, um Artgenossen zu warnen.
Winterschlaf und Fortpflanzung
Da Ziesel keine Nahrungsvorräte im Bau anlegen, fressen sie sich vor dem Winter große Fettreserven an. Ab etwa Anfang September bis in den Februar oder März hinein halten sie einen langen Winterschlaf, der für kurze Wachphasen unterbrochen werden kann. Während dieser Zeit sinkt ihre Körpertemperatur drastisch, um Energie zu sparen.
Die Paarungszeit beginnt unmittelbar nach dem Ende des Winterschlafs. Männchen kämpfen um die Weibchen und legen auf der Suche nach Paarungspartnern manchmal weite Strecken zurück. Nach einer Tragzeit von rund 26 Tagen bringt das Weibchen im Mai einmal pro Jahr einen Wurf zur Welt, der durchschnittlich vier bis neun Junge umfasst. Die Jungtiere verlassen ihren mütterlichen Bau und erscheinen etwa im Juni an der Oberfläche.
Ernährung und Ökologische Rolle
Ziesel ernähren sich überwiegend vegetarisch. Ihr Speiseplan besteht hauptsächlich aus Sprossen, Blättern, Blüten und Samen von Gräsern und Kräutern wie Klee, Löwenzahn und Schafgarbe. Gelegentlich ergänzen sie ihre Nahrung durch Insekten wie Käfer, Raupen oder Heuschrecken.
Ökologisch gesehen ist das Ziesel eine sogenannte Schirmart für den Lebensraum Steppe und extensiv genutzte Trockenrasen. Sein Schutz sichert somit auch das Überleben vieler anderer Arten dieser spezialisierten Habitate. Darüber hinaus stellt es ein wesentliches Beutetier für gefährdete Greifvogelarten wie den Sakerfalken oder den Kaiseradler dar.
Schutzstatus
Aufgrund der Intensivierung der Landwirtschaft und der Verbauung (Versiegelung) geeigneter Flächen sind die Bestände des Ziesels in weiten Teilen Europas stark zurückgegangen. Früher als Schädling verfolgt, wird das Ziesel heute regional auf der Liste der gefährdeten Arten geführt. Spezielle Schutzmaßnahmen, wie die Pflege kurzrasiger Flächen und die Wiederansiedlung in geeigneten Gebieten, sind notwendig, um die Populationen zu stabilisieren und zu erhalten.